Wir sind auch Mentalitätsmittle / Interview with ADWA, the largest German speaking legal network in Asia | 18 Oct 2019
Allianz Deutscher Wirtschaftsanwälte in Asien (ADWA). V. l. n. r.: Christian A. Brendel (Vietnam), Michael A. Müller (Japan), Joachim Nowak (Korea), Rainer Burkardt (China), Stefan Schmierer, LL.M. (Hong Kong), Dr. Andreas Respondek, LL.M. (Thailand und Singapur), Dr. Jörg Schendel (Indien).
Christian A. Brendel lebt seit 2005 in Vietnam. Er ist Gründer und Geschäftsführer der Kanzlei Brendel & Associates Law Co., Ltd. in Ho-Chi-Min-Stadt.
Rainer Burkardt lebt seit 1997 in China. Er ist Gründer und Mitinhaber der Kanzlei Burkardt & Partner in Shanghai.
Michael A. Müller lebt nach früherer Tätigkeit als Dol- metscher für Japanisch seit 2006 wieder in Japan. Er ist Gründer und Mitinhaber der Kanzlei Mueller Foreign Law Office in Tokyo.
Joachim Nowak ist der dienstälteste deutsche Rechtsan- walt in Korea, Geschäftsführer der Nowak & Partner Co., Ltd., einer Beratungsgesellschaft für deutschsprachige Unternehmen, und Partner der Kanzlei Lee & Ko in Seoul.
Dr. Andreas Respondek, LL.M., ist Gründer und Mitinhaber der Kanzlei Respondek & Fan Pte Ltd in Singapur und Respondek & Fan Ltd in Bangkok.
Dr. Jörg Schendel lebt und arbeitet seit 2012 in Indien. Er leitet den German Desk der Kanzlei Suman Khaitan & Co. in Delhi.
Stefan Schmierer, LL.M. und Solicitor, lebt seit 2009 in Hong Kong. Er ist Leiter des German Desk bei Robinsons, Lawyers und Berater des deutschen Konsulats in Hong Kong.
Guten Tag, Sie sind sieben deutsche Anwälte, die in insgesamt sieben verschiedenen asiatischen Ländern tätig sind: China mit Hong Kong, Indien, Japan, Korea, Singapur, Thailand und Vietnam. Sind Sie jetzt gerade alle an einem Ort zusammen?
MÜLLER: Aktuell sitzen wir alle zusammengepfercht in einem VW-Bus auf einem Parkplatz im Bayerischen Wald, da wir gerade von einem Mandantenbesuch kommen.
Was ist die Allianz Deutscher Wirtschaftsanwälte in Asien (ADWA)?
MÜLLER: Die ADWA hat sich 2015 gegründet. Hierbei han-delt es sich um einen Zusammenschluss deutscher Rechtsanwälte in Asien, die dort in einer eigenen Kanzlei tätig sind oder in einer lokalen Kanzlei den German Desk betreiben. Dabei liegt unser Schwerpunkt besonders auf der Betreuung von deutschen Unternehmen, die im asiatischen Markt tätig sind oder die dort tätig werden möchten.
Warum haben Sie sich zusammengeschlossen?
MÜLLER: Die Gründung der ADWA erfolgte primär aufgrund des Bedarfs, den Mandanten uns gegenüber geäußert haben. Diese Mandanten hatten Projekte, die verschiedene Länder betrafen, z.B. nicht nur Japan, sondern auch Korea. Wir konnten dann zwar Kontakt zu Kollegen aus den jeweiligen Ländern herstellen, eine angemessene Rundumbetreu- ung war jedoch nicht möglich. Dann weiteten sich die Projekte der Mandanten aus, neben Japan und Korea wurde z.B. auch noch China einbezogen, aber die Mandanten wollten natürlich nicht immer alles neu erklären müssen. Der Bedarf war also da für einen Ansprechpartner, der effiziente und länderübergreifende Services anbieten kann. Daher haben wir uns am Anfang als vier Anwälte zusammengeschlossen und seitdem stetig weitere Länder bzw. Gebiete „dazugebaut“, zuletzt Vietnam, Hong Kong und Indien.
Warum haben Sie sich für eine Allianz entschieden und nicht für eine Großkanzlei? Was sind die Vorteile?
BRENDEL: Ich arbeite in einer mit drei Standorten gut etablierten Kanzlei in Vietnam und habe besonders im Bereich Wirtschaftsrecht viele Querverbindungen nach Singapur, China, Hong Kong etc. Da ist es deutlich besser, wenn ich über das kleine Netzwerk einen Kollegen beispielsweise in Hong Kong anrufen und bitten kann, mir bei einem Fall konkret zuzuarbeiten. Zwar können auch Großkanzleien diesen Netzwerkvorteil bieten – dort haben Sie dann allerdings erstens eine viel höhere Kostenstruktur und zweitens praktisch nie mit dem jeweiligen Partner zu tun, sondern mit ständig wechselnden Junior Associates. Wir hingegen bieten dem Mittelstand einen unmittelbaren persönlichen Ansprechpartner, der direkt zur Verfügung steht, auf Wunsch das Verfahren in all diesen Ländern koordinieren kann, außerdem das europäische Rechtssystem kennt und die Sprache des Mandanten spricht. NOWAK: Der Vorteil für Mandanten ist: Wir sprechen „Mittelstand“, d.h. wir verstehen ittelständische Unternehmen, das Management, die Mitarbeiter wesentlich besser. Wir kennen die Unternehmenskultur erheblich besser, als dies bei einer Großkanzlei der Fall ist.
MÜLLER: Es gibt keine deutsche Großkanzlei, die in Asien so weitgefächert vertreten ist wie wir. Wichtig ist auch der Aspekt: Die meisten Großkanzleien stammen aus den USA, also aus dem Common Law-Bereich. Das Vorgehen dort sieht so aus, dass ein meist amerikanischer Common Law-Anwalt den Sachverhalt aufnimmt, ihn zusammenfasst und z.B. an einen japanischen Anwalt weitergibt. Bei dieser Übertragung können für einen deutschen Mandanten wichtige Details verloren gehen. Daher ist ein deutscher Anwalt, der den Fall zusammen mit einem örtlichen Kollegen bearbeitet, gerade für die Civil Law Destinations von großem Vorteil. Ein weiterer Punkt ist: Wir sehen uns nicht nur als Anwälte vor Ort, sondern auch als Mentalitätsmittler. Lokale Anwälte verstehen oft gar nicht die Anliegen der deutschen Mandanten.
Wie sieht die Arbeitsweise Ihrer Allianz aus?
BURKARDT: Der Austausch und die Kommunikation sind sehr intensiv. Grundsätzlich findet einmal im Monat eine Telefonkonferenz statt, bei der wir uns über gemeinsame Mandate austauschen. Darüber hinaus treffen wir uns zweibis dreimal jährlich in Deutschland, Österreich oder der Schweiz, um Mandanten zu besuchen, zu akquirieren und Vorträge zu halten. So waren wir u.a. bei der Tiroler Wirtschaftskammer, wo wir einen Anwaltssprechtag durchgeführt haben. Dort konnten die Kammermitglieder sich pro Land individuell mit jedem Anwalt 30 Minuten zusammensetzen. Und auch jetzt gerade kommen wir, wie gesagt, von einer gemeinsamen Rundreise zu Mandanten.
Ist es nicht ziemlich schwierig, mit so vielen Leuten gemeinsame Termine zu finden?
BURKARDT: Ja, aber unsere Zusammenarbeit ist von langer Hand geplant. Für gewöhnlich setzen wir uns im dritten Quartal eines Jahres zusammen, um Mandanten und Kammern anzuschreiben, die geographischen Regionen festzulegen, in die wir reisen wollen, und dann die entsprechenden Termine für das nächste Jahr anzubahnen.
Wo liegen Ihre Arbeitsschwerpunkte?
NOWAK: Im asiatischen Wirtschaftsrecht, bei allen Aspekten, die besonders deutschsprachigen Unternehmen aus den D-A-CH-Ländern unter den Nägeln brennen.
Was ist die größte Herausforderung in Ihrem Berufsalltag?
RESPONDEK: Die größte Herausforderung ist, dass die Leute meinen, ein Land zu kennen, und dementsprechend zentraleuropäische Verhaltensgrundsätze z.B. auf Thailand übertragen. Das führt dazu, dass sie dann häufig Schiffbruch erleiden. Genau davor müssen wir unsere Mandanten bewahren. Und diese Vermittlungsarbeit benötigt sehr viel Aufwand.
Was sind die Unterschiede zwischen dem Arbeitstag eines Anwalts in Asien und dem eines Anwalts in Mittel- europa?
SCHENDEL: Zum einen gibt es den formalen Unterschied, dass sich unser Arbeitstag ein wenig nach hinten verlagert, da wir uns selbstverständlich an der europäischen Zeit orientieren müssen und also immer ein paar Stunden voraus sind. Zum anderen besteht ein inhaltlicher Unterschied darin, dass die Kommunikationskomponente deutlich stärker ist als bei einem Anwalt, der ausschließlich in Deutschland tätig ist. So sind wir nicht nur in die Klärung von Rechtsfragen involviert, sondern müssen vor allem auch die sprachlichen und kulturellen Hürden zwischen unseren deutschen Mandanten und der Justiz, den Behörden und Geschäftspartnern vor Ort überbrücken. Und was die Tätigkeit unserer indischen Kollegen angeht: Hier ist die Tätigkeit eines Prozessanwalts erheblich formaler und mit mehr Laufarbeit verbunden. Die Kollegen gehen jeden Tag, sechs Tage pro Woche, zu Gericht. Das liegt an einer viel größeren Zahl an Verhandlungsterminen, die sich zuweilen aber in der Übergabe eines Schriftsatzes erschöpfen. Oder die Sitzung wird einfach nur wieder vertagt, weil der eine oder andere nicht anwesend ist. Aber das ist natürlich in jedem unserer Länder anders.
Indien ist ein Land mit 23 Amtssprachen. Ist die Sprache bzw. die Kommunikation da eine große Hürde für Ihre Arbeit?
SCHENDEL: In Indien ist das kein so großes Problem, da die Rechtssprache praktisch durchgehend Englisch ist. Asiatische Sprachen sind da schon komplexer.
MÜLLER: Japan ist ja ein entwickeltes Industrieland, aber wenn es um englische Sprachkenntnisse geht, sind ausländische Unternehmer, die dort zu Besuch sind, in der Regel etwas erstaunt – bei den meisten Teams nämlich, mit denen man verhandelt, ist dann zwar einer dabei, der recht gut Englisch spricht, aber die übrigen Teammitglieder sprechen eben kein Englisch. Die sprachliche Hürde ist insbesondere in Japan tatsächlich sehr hoch.
BURKARDT: In China ist es so: Chinesisch ist eine Sprache mit sehr vielen spezifischen Vokabeln für verschiedene Fachbereiche, ob das jetzt Archäologie ist oder eben die Rechtskunde. Diese Vokabeln werden selbst von durchschnittlich gebildeten Chinesen nicht beherrscht und entsprechend beherrschen sie auch die Rechtssprache nicht. Deshalb muss man auf juristisches Fachpersonal ausweichen, das dann etwa dafür sorgt, dass Schriftsätze, Verträge, juristische Sachverhalte sauber aus dem Englischen ins Chinesische bzw. aus dem Chinesischen ins Englische übersetzt werden.
SCHMIERER: Ich als in Hong Kong tätiger Anwalt kann mich dem Kollegen aus Indien anschließen. Mit unseren Mandanten kommunizieren wir auf Deutsch, mit den Mitarbeitern auf Englisch. Diese kommunizieren aber auch viel direkt miteinander. Meine Aufgabe ist es, die korrekte Kommunikation zu gewährleisten, d.h. dafür zu sorgen, dass nicht aneinander vorbeigeredet wird und dass jeder weiß, wovon die andere Seite spricht. Ich arbeite weniger juristisch und muss viel zwischen meinen lokalen Mitarbeitern koordinieren: Wer macht was? Wer ist wofür zuständig? Was wird wie an den Mandanten in Deutschland kommuniziert?
BRENDEL: Ich spreche mit meinen vietnamesischen Mitarbeitern Englisch. Das Vokabular ist dabei möglichst simpel zu halten, damit wir uns nicht missverstehen. Das eigentliche Problem ist nicht die Sprache, sondern die Kommunikationsart, auf welche Weise Fragen gestellt werden und auf welche Weise Fragen beantwortet werden. Ein Beispiel: Mein erster deutscher Kollege, den ich in Vietnam angestellt habe, stellte einem unserer Senior Associates eine Frage, auf die er als Antwort eigentlich ein vierseitiges Gutachten erwartet hatte. Was jedoch zurückkam, war ein einfaches „Nein“. Also, man muss mit unseren vietnamesischen Mitarbeitern den Sachverhalt gemeinsam klären, die Fragestellung gemeinsam durcharbeiten. Das ist eine gänzlich andere Art der Zusammenarbeit als das effiziente, zielgerichtete deutsche Abfragen von Problempunkten.
RESPONDEK: In Singapur gibt es vier offizielle Amtssprachen. Die Sprache des geschäftlichen Alltags ist allerdings ausschließlich Englisch. In Thailand läuft zwar auch viel geschäftliche Korrespondenz auf Englisch ab. Aber bei Verhandlungen mit Regierungsstellen ist ausschließlich Thai anzuwenden.
NOWAK: Wir investieren sehr viel Arbeit darin, den Mandanten zu erklären, dass wir in den jeweiligen Ländern ganz andere Geschäfts- und Unternehmenskulturen haben. Das klingt sehr simpel, aber in der Regel lauert hier ein riesiges Problem. So gibt es in der koreanischen Unternehmenskultur ein Grundprinzip, das lautet: „Gehe niemals mit einem Problem zum Chef!“
In Asien ist keine deutsche Großkanzlei so weitgefächert vertreten wie die ADWA (Allianz Deutscher Wirtschaftsanwälte in Asien).
Heißt das, jeder versucht, die Probleme ausschließlich eigeninitiativ zu lösen?
NOWAK: Ja, oder sie zu verschweigen, bis es nicht mehr geht. So verhält sich dort jeder und das ist für Deutsche nur sehr schwer verständlich. Das Verständnis für diese andere Unternehmenskultur benötigt einen langen Erkenntnisprozess, den ich in Gang setzen muss, damit er dann bei den Mandanten praktisch umgesetzt wird in eine andere Verhaltensweise.
Einige von Ihnen sind ausgewiesene Vertrauensanwälte von Botschaften oder Handelskammern. Wie kam es dazu und wie muss man sich die Tätigkeit eines Vertrauensanwalts vorstellen?
BRENDEL: Meist geschieht es mündlich, dass man von der jeweiligen Botschaft als Vertrauensanwalt ernannt wird. In seltenen Fällen auch schriftlich. Grund für meine Berufung war ein Kindesmissbrauchsfall, der vor einem deutschen Gericht verhandelt wurde. In diesem Fall wurde ein vietnamesischer Zeuge gesucht, den ich ausfindig machen und später überreden musste, im Prozess auszusagen. Daraufhin habe ich ihm einen Pass besorgt und in den Flieger nach Deutschland gesetzt.
Eine letzte Frage: Nehmen Sie und Ihre Kanzleien deutsche Praktikant*innen und Referendar*innen an?
BRENDEL: Vietnam nimmt Praktikanten und Referendare aus Deutschland.
BURKHARDT: Burkhardt & Partner in Shanghai nimmt deutsche Praktikanten und Rechtsreferendare.
MÜLLER: Wir haben in Tokyo in der Regel immer zwei Referendare aus Deutschland zeitgleich. Praktikanten nehmen wir dagegen meist nur, wenn diese Japanisch sprechen. NOWAK: Wir nehmen deutsche Praktikanten und Rechtsreferendare in Korea.
RESPONDEK: Wir nehmen in Thailand keine Praktikanten und Rechtsreferendare. In Singapur nehmen wir deutsche Rechtsreferendare.
SCHENDEL: In Indien nehmen wir derzeit keine Praktikanten und Rechtsreferendare auf.
SCHMIERER: In Hong Kong nehmen wir Praktikanten und Rechtsreferendare.
Bewerbungen bitte direkt an unsere jeweiligen Kanzleien senden, die Kontaktdaten finden sich auf der Website www.adwa-law.com
Interview: Phillip Hinz und Joseph Wälzholz
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